Notenbanken und Zinspolitik: Weltwirtschaftsauswirkungen

Hohe Zinsen bremsen das Wachstum, erhöhen die Notenbanken die Zinsen zu stark?

April 25, 2022
6 min
Erfahren Sie in unserem detaillierten Artikel, wie Notenbanken und ihre Zinspolitik die Weltwirtschaft und globale Märkte beeinflussen

Chart der Woche

Quelle: Isabelnet, 16.04.2022


2020 haben die meisten Notenbanken die Zinsen noch gesenkt, nun hat der Wind definitiv gedreht. Alle Notenbanken weltweit erhöhen nun die Zinsen.


Warum das wichtig ist


Die Notenbanken beeinflussen mit ihrer Politik die Finanzmärkte stark. Ihr Verhalten hat normalerweise den grössten Einfluss auf die Kurse. Wenn die Notenbanken wie 2020 die Zinsen stark senken, ist das für Aktien wie Obligationenanleger sehr positiv und spricht für steigende Kurse.

Nun hat die Politik aber gedreht. Steigende Zinsen bedeuten sinkende Kurse für Obligationenanleger. In den letzten 30 Jahren konnte man sicher sein, dass wenn man eine Obligation kauft und sie vor Ablauf verkaufen muss, man einen kleinen oder grösseren Kapitalgewinn macht. Von nun an aber ist klar, dass wenn man eine Obligation kauft und vor Ablauf verkaufen muss, man einen Kapitalverlust machen wird. Wer jetzt noch Obligationen kauft muss sie bis zur Rückzahlung halten.


Auch die Aktienkurse verhalten sich in einer solchen Marktphase anders. Die Schwankungen nehmen massiv zu. Ankündigungen der Notenbanken treiben die Kurse regelmässig stark nach unten. Zuletzt geschehen am letzten Freitag in den USA. Der US-Notenbankchef Jerome Powell sagte in einem Interview, dass die Zinsen jetzt schneller steigen müssen als bisher. Die Aktienmärkte tauchten nach dieser Aussage, um fast 3%. Es braucht dann gute Firmenresultate, um die Kurse weiter in die Höhe zu treiben.


Netflix: Kurssturz mit Ansage


Am Donnerstag hat Netflix sinkende Abonnentenzahlen bekannt gegeben. Die Aktie ist an einem Tag um fast 30% eingebrochen.
Ein solcher Kurssturz ist schwer verständlich. Eigentlich hätte doch allen klar sein müssen, dass nach den traumhaften Wachstumszahlen in der Covid-Zeit, die Leute jetzt wieder raus gehen und weniger TV schauen. Auch, dass viele ihr Passwort mit Freunden teilen, wusste eigentlich auch jeder Anleger. Dass man neben Netflix nun auch viele andere Streaming-Angebote hat wie Amazon-Prime oder Walt Disney dürfte auch jeder Konsument bemerkt haben.
Es hilft manchmal den normalen Menschenverstand zu gebrauchen, wenn man Aktien kauft.  

Quelle: Twitter, George, @George78014, 20.04.2022


Der Chart zeigt die maximalen Verluste den man mit Netflix-Aktien seit dem IPO von 2002 erleiden konnte. Seit dem Höchst im letzten November hat die Aktie über 60% eingebüsst. Für Schnäppchenjäger wir es jetzt interessant, aber es ist ev. doch noch zu früh zum Kaufen. Bei -75% bis -85% könnten noch tiefere Kurse kommen.


Auch hierzu gibt es eine bekannte Börsenweisheit: "Never catch a falling knife". Ein herunterfallendes Messer sollte man nicht im Flug auffangen. Es ist wesentlich sicherer zu warten, bis es am Boden aufschlägt. Dann kann man es gefahrenlos aufheben.


Hohe Zinsen bremsen das Wachstum


Für den Amerikaner und sein Wohlbefinden, sind zwei Dinge sehr bedeutend. Sein Auto und sein Eigenheim. Über 60% der Amerikaner besitzen ein Eigenheim.
Die Benzinpreise haben sich seit einem Jahr fast verdoppelt und die Preise für Occasions-Autos sind seit 6 Monaten explodiert. Und nun trifft es auch noch die Hausbesitzer.

Quelle: Edward Yardeni, 15.04.2022


Der Chart zeigt den Zins für eine 30-jährige Hypothek in den USA. Seit 1984 sind diese stetig zurückgegangen. Bereits 2021 hat der Wind gedreht. Auch wenn dies historisch im Chart nicht schlimm aussieht haben sich die Zinsen fast verdoppelt.

Quelle: Isabelnet, 12.04.2022


Der Chart vergleicht die höheren Kosten für Immobilienbesitzer und den ISM-Index. Der Purchasing Managers Index, auch „ISM Manufacturing Index“ oder „ISM-Einkaufsmanagerindex“, ist der wichtigste und verlässlichste Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität in den USA. Er wird vom Institute for Supply Management, eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation mit Sitz in Tempe, veröffentlicht.


Der Chart zeigt den Zusammenhang der beiden Indikatoren. Wenn die Finanzierungskosten für die Immobilen steigen haben die Konsumenten weniger Geld, um Güter und Dienstleistungen zu kaufen. Die Verdoppelung der Finanzierungskosten bedeutet pro Monat für den durchschnittlichen Amerikaner Hausbesitzer USD 1'000.- Mehrkosten. Also bis zu USD 12'000.- pro Jahr.

Steigende Finanzierungskosten sind der effektivste Weg der Notenbanken, um eine boomende Wirtschaft abzukühlen.


Obwohl die Zinsen schon stark gestiegen sind, erwarten die Experten noch viel mehr:

Quelle: Twitter, Bespoke Investment, @bespokeinvestment, 22.04.2022



Der Chart zeigt die bereits erfolgte Zinsanhebung von 0.25% im März 2022 (blau) und die basierend auf den Futures-Preisen erwarteten Zinsanhebungen der US-Notenbank (FED, rot).


Der Fokus wird unserer Ansicht nach zu stark auf die nominelle Inflationszahl gelegt:

Quelle: Twitter, Mohamed A. El-Erian, @belerian, 20.04.2022


Der Chart zeigt wie stark die Experten und auch der IMF (International Monetary Fund) sich verschätzt haben. Die hellblaue Linie zeigt die Erwartungen des IMF im Oktober 2021. Da rechnete man mit einem Peak bei der Inflation im dritten Quartal 2021 nun erwartet man den Peak ein Jahr später (dunkelblaue Linie).


Wir befürchten, dass hier die US-Notenbank massiv übersteuert und die Wirtschaft zu stark abbremst. Die Folge wäre eine Rezession.

Normalerweise zeigt sich Inflation aufgrund einer hohen Nachfrage. Da macht es Sinn, wenn die Notenbank wie oben gezeigt, die Nachfrage bremst indem zum Beispiel die Finanzierungskosten für Hausbesitzer steigen.

Aktuell sehen wir aber die hohe Inflation, weil die Lieferketten aufgrund von Covid noch nicht im Lot sind und weil wegen dem Krieg in der Ukraine die Energiepreise stark steigen. Wir sehen aktuell also Probleme auf der Angebotsseite und nicht auf der Nachfrageseite. In einem solchen Fall macht es keinen Sinn die Nachfrageseite abzubremsen.

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